Brief

Corona-Pandemie beschleunigt Digitalisierung bei Haushaltsgeräteherstellern
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Auf einen Blick
  • Ein Viertel der weltweiten Konsumenten zeigt aktuell eine höhere Bereitschaft, Haushaltsgeräte online zu kaufen als noch vor der Corona-Krise
  • In den vergangenen fünf Jahren hat der Onlineabsatz im Schnitt um jährlich 10,5 Prozent zugelegt, im Einzelhandel hingegen weniger als 1 Prozent
  • Mehr als 45 Prozent der Konsumenten sind bereit, einen höheren Preis für ein Gerät zu zahlen, wenn zusätzliche Dienstleistungen wie etwa Reparaturen am selben Tag inbegriffen sind

Der Onlineabsatz von Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen, Kühlschränke oder Geschirrspüler wächst rasant. Die Pandemie beschleunigt diesen Wandel zusätzlich. Die Hersteller stehen daher unter großem Druck, ihre bisher noch stark auf den Einzelhandel ausgerichteten Geschäftsmodelle neu zu gestalten.

Vor der Corona-Krise hatte bereits rund ein Viertel der Konsumenten Käufe über das Internet getätigt, künftig tendieren dazu weitere 26 Prozent (Abbildung). Bis 2025 könnten aufgrund des veränderten Kundenverhaltens rund 40 Prozent aller Geräte weltweit online abgesetzt werden – im Gegensatz zu aktuell rund 15 bis 20 Prozent. Direkt über die Webseite eines Herstellers kauft allerdings bislang noch nicht einmal jeder Zehnte. Insgesamt beschleunigt die Pandemie den Umstieg auf digitale Verkaufskanäle voraussichtlich um zwei bis fünf Jahre.

Digitale Vertriebs- und Marketingexpertise wird dabei entscheidend sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Schon jetzt bilden Onlineabsatzkanäle den Großteil des Branchenwachstums: Zwischen 2014 und 2019 nahmen die weltweiten Onlineverkäufe jährlich um durchschnittlich 10,5 Prozent zu, während der Absatz im stationären Einzelhandel nahezu unverändert blieb. Insbesondere die jüngeren Altersgruppen werden den E-Commerce-Boom in der Branche in den kommenden Jahren beschleunigen (Abbildung 2).

Figure 2

A significant share of white goods is sold online, especially to younger consumers

A significant share of white goods is sold online, especially to younger consumers

Da immer mehr Konsumenten online über E-Commerce-Plattformen einkaufen, verlieren Einzelhandelsgeschäfte Marktanteile. Branchenvorreiter bauen deshalb ihre eigenen Onlineverkaufskanäle aus (Direct-to-Consumer), kooperieren intensiver mit marktstarken E-Commerce-Plattformen und treiben die Entwicklung sowie den Absatz internetfähiger Haushaltsgeräte an.

Produktdaten nutzen, um Kundenbeziehungen zu stärken

Zudem verfügt die Branche mittlerweile über eine riesige Menge an Produktdaten. Diese werden aber bisher nur unzureichend für direkte Kundenkontakte eingesetzt. Laut der Bain-Studie sehen zwar 61 Prozent der weltweit rund 6.000 befragten Konsumenten die Internetseiten der Gerätehersteller als wichtige oder sehr wichtige Informationsquelle an. Doch lediglich 30 Prozent abonnieren im Rahmen des Kaufprozesses einen Newsletter und nur 44 Prozent registrieren ihr Gerät während oder nach der Installation beim Hersteller (Abbildung 3). Somit werden Chancen, um den Kunden dauerhaft in die eigene Markenwelt zu holen, verpasst.

Figure 3

Many white goods makers miss the opportunity to establish direct contact with consumers early in the purchase process

Many white goods makers miss the opportunity to establish direct contact with consumers early in the purchase process

Digitale «First Mover» investieren daher verstärkt in digitales Marketing und individualisierte Social-Media-Aktivitäten, um direkte Kundenkontakte aufzubauen, die Markentreue signifikant zu steigern und den Marktanteil bei den lukrativen Aftersales-Services zu vergrößern. Die Gewinner der Zukunft werden sich dadurch auszeichnen, dass sie mit ihren Kunden vor, während und nach dem Kauf in Kontakt treten. Eine langfristige Kundenbindung wird es ihnen wiederum ermöglichen, eine umfangreiche Datenbank mit Erkenntnissen über das Kaufverhalten der Kunden aufzubauen.

Testen und Lernen

Führungskräfte verbessern ihre Return-on-Marketing-Ergebnisse, indem sie die bisherigen umfangreichen und kostenintensiven Kampagnen unter anderem durch eine Vielzahl kleiner und zielgenauer Marketingaktionen für spezielle Konsumentengruppen ersetzen. Bereichsübergreifende agile Teams lernen aus diesen Projekten und tragen den Kundenbedürfnissen mit ihren Maßnahmen besser Rechnung.

Die Herausforderung des E-Commerce

Traditionelle Haushaltsgerätehersteller, die lange nur auf den physischen Einzelhandel gesetzt haben, stehen vor einer großen Herausforderung, wenn sie sich im digitalen Zeitalter behaupten wollen. Da sich Kunden für Haushaltsgeräte zunehmend Onlinevertriebskanälen zuwenden, könnten E-Commerce-Giganten wie beispielsweise Amazon und Alibaba zu einer dominierenden Marktmacht werden. Sie verfügen bereits über starke bestehende Beziehungen und sind Experten darin, individuell mit ihrer Kundschaft in Kontakt zu treten, schnell auf sich ändernde Präferenzen zu reagieren, intuitive Onlineeinkaufserlebnisse wie One-Click-Kaufoptionen zu bieten und aus dem Schatz der von ihnen generierten Verbraucherdaten Marktkenntnisse abzuleiten.

Eine Gewinnerstrategie

Für den Übergang zu digitalen Marketing- und Verkaufskanälen sind sechs Erfolgsfaktoren entscheidend:

  1. Omnikanal-Verkaufsmodell etablieren. Vorreiter kombinieren die Aktivitäten ihrer Flagship-Stores mit klassischen Einzelhandelsgeschäften sowie Internetplattformen. Sie ergänzen ihre Webseiten beispielsweise um einen Onlineshop und richten zur Verstärkung ihrer direkten Kundenkontakte unter anderem einen rund um die Uhr nutzbaren Chat ein. Den Läden kommt vorwiegend die Aufgabe zu, kompetent zu beraten sowie umfassende Testmöglichkeiten und ausgewählte Aftersales-Services zu bieten.
  2. Produktportfolio vereinfachen. Insbesondere jüngere Kunden werden laut Bain-Studie durch zu viele Angebotsvarianten im Kaufprozess abgeschreckt. So fühlen sich 41 Prozent der unter 35-Jährigen nicht imstande, unter den zahlreichen Gerätemodellen und -funktionen eine Auswahl zu treffen. Erfolgreiche Haushaltsgerätehersteller straffen daher ihre Produkt- und Markenwelt. Damit erleichern sie ihren Kunden die Orientierung und reduzieren gleichzeitig ihre Produkt- und Vertriebskosten.
  3. In internetfähige Geräte investieren. Vernetzte Produkte können über eine zentrale Plattform gesteuert werden. Immer mehr Kunden erwarten, dass sich Kühlschrank oder Waschmaschine mit ihrem WLAN-Netz verbinden lassen. Ein Viertel der Befragten hält dieses Feature für wichtig. Zudem würden 53 Prozent Haushaltsgeräte kaufen, die mit smarten Apps oder Services zur Unterstützung der täglichen Routinearbeiten ausgestattet sind.
  4. Wertschöpfende digitale Services entwickeln. Erfolgreiche Hersteller schaffen mithilfe ihrer internetfähigen Geräte eine vollständig neue Produktwelt, die ihren Kunden einen Mehrwert bietet und damit deren Loyalität stärkt. Ein Beispiel ist eine App für Weinschränke, die unter anderem automatisch nachbestellt und die Nutzer mit Produktinformationen oder Verkostungstipps versorgt.
  5. Kunden eng begleiten und binden. Vorreiter unterstützen ihre Kunden vom ersten Kontakt bis hin zum Kaufprozess, bieten eine Rundumbetreuung und überzeugen sie, ihre Geräte bei ihnen anzumelden. Dieses „Customer-Onboarding“ ermöglicht langfristige Kundenbindungen und erhöht das Potenzial für Wiederholungskäufe.
  6. Attraktive Dienstleistungspakete schnüren. Ein Großteil der Kunden wünscht sich individuelle Serviceangebote. Für 76 Prozent der Befragten sind beispielsweise Reparaturen binnen 24 Stunden der wertvollste Zusatznutzen, 45 Prozent würden für Geräte mit erstklassigen Dienstleistungen sogar höhere Preise akzeptieren (Abbildung 4).
Figure 4

Service and repair represent a large after-sales opportunity for appliance makers

Service and repair represent a large after-sales opportunity for appliance makers

In einem zunehmend wettbewerbsintensiven Markt zählt Loyalität. Jahrelang sind Hersteller von Haushaltsgeräten davon ausgegangen, dass vor allem Qualitätsprodukte die Basis zufriedener Kunden liefern würden. Doch mit dem Anstieg der Onlineverkäufe müssen traditionelle Marken neue Strategien einführen, um an Loyalität zu gewinnen. Hersteller, die jetzt starke und langfristige Kundenbeziehungen aufbauen und sich auf digitale Absatz- und Kommunikationskanäle konzentrieren, schaffen beste Voraussetzungen, um in den nächsten zehn Jahren zu den Gewinnern in der Branche zu gehören.


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